Zertifikate und Auszeichnungen sind eine hervorragende Möglichkeit, die eigenen Werbeaussagen von unabhängigen Dritten bestätigen zu lassen. Die Glaubwürdigkeit wächst enorm. Insofern sollte sich jeder Dienstleister darum bemühen. Allerdings habe ich mich über das Zertifikat „TÜV Service tested“ für Kundenzufriedenheit und Servicequalität schon desöfteren gewundert. Denn plötzlich weisen ganz normale Dienstleister ohne besonderen Servicegedanken 96 % zufriedene Kunden aus. Und die ermittelten Werte entsprechen so gar nicht den üblichen Werten in der Branche. Deshalb bin ich bin der TÜV-Zertifizierung nun auf den Grund gegangen und habe einige interessante Aspekte gefunden:
- Unternehmen selbst beantragen die Zertifizierung beim TÜV Saarland, das Zertifikat gibt also wenig Marktüberblick (wie z.B. Stiftung Warentest).
- Der TÜV befragt die Kunden und nur wenn die Gesamtbewertung positiv (mindestens „gut“) ausfällt, gibt es ein Zertifikat. Daher: Es gibt nur Zertifikate mit „sehr gut“ und „gut“ im Umlauf! Die Aussagekraft ist daher recht gering – auch, da nicht bekannt wird, wer das Zertifikat nicht erlangen konnte. Dass sich kein Unternehmen mit einem „befriedigend“ oder gar „ungenügend“ schmückt, ist klar.
- Die Befragung geschieht mit verschiedensten Methoden: Fragebogen (schriftlich, online), Telefoninterview. Die Rücklaufquote muss so hoch sein, dass die Befragung repräsentativ ist, ansonsten gibt es kein Zertifikat.
- Die ungerade Bewertungsskala reicht von 1 (sehr gut) bis 5 (ungenügend)
- Preisbezogenen Kriterien (z.B. Beitragshöhe und Preis-Leistungsverhältnis) sind aus Kundensicht zwar äußert wichtig, fließen in die Service-Zertifizierung aber nicht als Entscheidungskriterien ein.
- Die vier wichtigsten Einzelkriterien (unternehmensabhängig, z.B. Freundlichkeit, Erreichbarkeit) müssen ebenfalls mit mindestens gut bewertet werden. Und: Nur die fünf wichtigsten Einzelkriterien gemäß Kundenmeinung sind entscheidungsrelevant. Alle anderen Kriterien fließen nicht in das Endergebnis mit ein! Dabei ist doch Kundenzufriedenheit ein „Bauchgefühl“ aus vielen verschiedenen Kriterien und Prozesspunkten …
- Aus meiner Sicht der größte Kritikpunkt aber ist der (betrifft nicht nur dieses Zertifikat): Es werden nur bestehende Kunden befragt, nicht aber solche, die sich aus guten Gründen entweder gar nicht für den Anbieter entschieden haben oder aber solche, die sich aufgrund Unzufriedenheit schon wieder von dem Dienstleister abgewandt haben. Gerade letztere Gruppe würde das Gesamtbild komplett machen! Immer dann, wenn der Anbieter kein Monopol hat, muss ich ja ohnehin davon ausgehen, dass die Unzufriedenen den Anbieterwechsel schon hinter sich haben. Gute Werte sind daher keine Kunst und die Erlangung des Zertifikats daher kein Problem für die Unternehmen. Wem also bringt es etwas? Dem TÜV eine Einnahmequelle (davon lebt er) und dem Unternehmen eine Werbewirkung. Aber die Glaubwürdigkeit für TÜV und Unternehmen ist für mich damit in Frage gestellt!
- Ein weiterer Kritikpunkt: Kundenzufriedenheit ist immer der vom Kunden ganz subjektiv vorgenommene Vergleich von erwarteter zu erhaltener Leistung. In der TÜV-Befragung wird die Erwartungshaltung nicht abgefragt, was für mich die Ergebnisse wertlos macht. Was bringt mir ein Wert, wenn es dafür keinen Referenzwert gibt und ich nicht weiß, wie die Kunden im Vergleich zur Erwartungshaltung bewerten?
Mein persönliches Fazit: In seiner gewünschten Außenwirkung mag das TÜV-Zertifkat wirkungsvoll sein. Die Methoden und Ergebnisse finde ich allerdings nicht ideal – die zertifizierten Unternehmen wägen sich in falscher Sicherheit. Ein solches Siegel bringt das Thema Dienstleistungsqualität daher nicht weiter – weder Kunde noch Unternehmen haben – von kurzfristigen Werbeeffekten für die Unternehmen abgesehen – letzlich etwas davon. Es kann sogar nach hinten losgehen: Die Erwartungshaltung der Neukunden ist groß und wenn diese nicht erfüllt werden kann, entstehen unzufriedene Kunden. Und die halten mit ihrer Unzufriedenheit bekanntlich kaum hinterm Berg …
Weitere Informationen zur Zertifizierung vom TÜV Saarland: http://www.service-tested.net/tuev_service_tested/
Ein wichtiger Hinweis: Das hier abgebildete TÜV-Siegel ist als reines Bildelement zu sehen, der Blog wurde nicht zertifiziert!