Durch Vorleistungen Vertrauen aufbauen

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Die meisten Dienstleistungen sind vor ihrer Erbringung unsichtbar und daher vom Kunden nur schwer zu beurteilen.  Aber je nach Kundenwert und Kapazität können Sie als Dienstleister bei einigen Leistungen auch in Vorleistung gehen und Teile der Leistung vorab, quasi als Demonstration Ihrer Leistungsfähigkeit, erstellen. Das geht für einige Dienstleistungen einfacher als für andere. Ein Hotelbetrieb kann kaum in Vorleistung gehen, denn dem Gast ein Zimmer zu überlassen, stellt ja schon einen Großteil der Leistung an sich dar. Aber für viele andere Dienstleistungsunternehmen ist dies durchaus möglich: Der Werbefotograf beweist seine Fähigkeit an einem einzelnen Produkt, der Arzt oder Rechtsanwalt gibt eine kostenfreie Vorberatung in der Hoffnung, den Patienten bzw. Mandanten zu halten, das Gebäudereinigungsunternehmen reinigt einmal zur Probe, ein Übersetzungsbüro bietet die kostenlose Übersetzung bis zu einer DIN A4-Seite, und das Paketunternehmen liefert das erste Paket für seinen gewerblichen Kunden kostenfrei – dies alles, um die Leistungsfähigkeit unter realen Bedingungen unter Beweis zu stellen und den Kunden vollends zu überzeugen.

Durch Vorleistungen vermindern Sie die Unsicherheit Ihres potenziellen Kunden hinsichtlich des Leistungsergebnisses. Die Erbringung von Vorleistungen beruht stark auf einem Vertrauensverhältnis (hier allerdings vom Unternehmen hin zum Interessenten), da Sie als Anbieter exklusiv in Vorleistung gehen und den Interessenten überzeugen wollen. Schließlich wollen Sie nicht einer von vielen sein, der umsonst arbeitet. Bei Unsicherheit, ob der Nachfrager Sie nur als „Ideenlieferant“ schröpfen will, sollte eine solche Vorleistung sinnvollerweise nicht erbracht werden – die Zeit können Sie besser nutzen, um Kunden zu akquirieren, denen professionelle Leistung etwas wert ist. Mir ist ein renommiertes Speditionsunternehmen bekannt, das in regelmäßigen Abständen Werbeagenturen (die in der Hoffnung leben, langfristige Partner zu werden) mit Konzeptionen und Entwürfen beauftragt, um dann den Praktikanten der Marketingabteilung den Auftrag zu erteilen, die Entwürfe „abzukupfern“ bzw. selbst nach günstigeren Möglichkeiten zu suchen.

Indem Sie als Dienstleister in Vorleistung gehen, vermitteln Sie Ihrem Kunden allerdings die hohe Sicherheit, dass das Leistungsergebnis auch seinen Erwartungen entspricht. Dabei lernt der Kunde Sie und Ihre Leistungskompetenz im Detail besser kennen und kann weiteres Vertrauen aufbauen. Erst nach einer Begutachtung und Freigabe des Nachfragers kommt ein Vertrag zustande. Die weitere Zusammenarbeit ist dann meist auf so hohem Vertrauensniveau angesiedelt, wie sonst nur nach der vollständigen Abwicklung eines Projekts.

Eine Internetagentur bietet ihren Kunden an: „Wir erstellen Ihnen kostenlos die Startseite Ihrer Internetpräsentation, die Sie auf unserem Testserver betrachten können. Sie können solange Änderungswünsche äußern, bis Sie mit dem Resultat zufrieden sind. Erst dann kommt es ggfs. zu einer Vereinbarung. Nutzen Sie diesen Service, um sicherzustellen, dass Ihr Internetauftritt genau so wird, wie Sie es sich vorstellen.“

In vielen Berufen und Berufszweigen ist das Erbringen von Vorleistungen jedoch geächtet. Der Gesamtverband der Kommunikationsagenturen (GWA), in dem viele Werbeagenturen Mitglied sind, lehnt kostenlose Vorleistungen für potenzielle Neukunden grundweg ab.

Aber auch diese Branche wie viele andere auch ist dem freien Wettbewerb unterworfen und sieht sich gezwungen, mehr und mehr in Vorleistung zu gehen, um Kunden zu überzeugen. Ob es immer der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Erfahrungsgemäß ist auch eine kompetente und ausführliche Beratung, gepaart mit einem guten persönlichen Kontakt, eine ausreichende Vorleistung. Immerhin zeigen Sie als Anbieter so persönlich Initiative, und das Vertrauen in Ihre Leistungsfähigkeit kann wachsen. In kreativen Berufen wird jedoch die kreative Leistung und weniger Ihre Beratungsfähigkeit bewertet.

Je mehr Referenzen und Empfehlungsschreiben Sie in der Tasche haben, desto weniger haben Sie es jedoch nötig, in Vorleistung zu gehen. Denn eines ist klar: Jede Vorleistung kostet Geld, das an anderer Stelle wieder eingenommen werden muss. Je mehr Sie also in Vorleistung gehen (und diese nicht nur von unbezahlten Praktikanten erbracht wird), desto höher müssen Ihre Preise sein. Es gilt demnach abzuwägen, wo realistische Chancen auf Erfolg bestehen.

 

Aus „Marketing für Dienstleister„, Thomas Scheuer (Gabler, 2005, 192 Seiten).