Kontaktpunkte nicht dem Zufall überlassen

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Ich schildere kurz meine Erfahrungen mit einer durchaus nicht kleinen Digitaldruckerei:

  1. Montag, 14.21 Uhr: Mail mit der Bitte um Angebot an die Druckerei gesandt (Kopie von 70 Seiten mal ca. 80 Teilnehmer für Schulungen in der kommenden Woche), optional soll die Bindung mit angeboten werden.
  2. Montag, 16:00 Uhr: Anruf, ob mein Ansprechpartner überhaupt im Haus ist und meine Mail beantworten kann. Er ist da und sagt mir, da es ja eilig ist, das Angebot für den gleichen Tag noch zu.
  3. Dienstag, 17:17 Uhr: Angebot kommt per E-Mail, jedoch inhaltlich anders als erwünscht. Ärgere mich. Erkenne aber, da nun schon zwei Tage ins Land gegangen sind (Montag vorbei, Dienstag vorbei), dass wir die Mappen wohl nicht mehr rechtzeitig selbst binden werden können (was so geplant war, die Druckerei sollte nur kopieren/drucken). Allerdings steht auch im Angebot eine Bearbeitungszeit von 2 bis 3 Tagen.
  4. Dienstag, 23.04 Uhr: Gebe Auftrag per Mail zum Druck und Binden der Mappen mit der Bedingung, dass sie am Freitag um 12 Uhr fertig sind. Donnerstag ist Feiertag, insofern bleibt nicht soviel Zeit.
  5. Mittwoch, 8.45 Uhr: Stehe vor der Druckerei und möchte vorsorglich die fertigen Cover für die Hefte abgeben. Nein, die Öffnungszeiten waren nicht auf der Website veröffentlicht. Öffnen pünktlich um 9 Uhr – eine Dame lässt die Kunden rein, geht einmal quer durch den halben Raum, macht erst das Radio an und wendet sich dann den Kunden zu. Ha, das nenne ich Abarbeitung einer echten Prioritätenliste. Was geht in meinem Kopf ab? „Nur mit Gedudel im Hintergrund kann ich die Kunden ertragen“. Die Kundin neben mir grinst bitter und schüttelt leicht den Kopf – ich bin also nicht zu kritisch. Das ist quasi Berufskrankheit.
  6. Mittwoch, 16.35 Uhr: Rufe meinen Ansprechpartner an, um mich zu informieren, ob der Auftrag nun angenommen wurde (es war ja nicht klar, ob sie das in der Zeit hinbekommen). Ansprechpartner ist irritiert, dass ich keine Auftragsbestätigung bekommen habe – ähem, ich auch … Er spricht mit sich selbst und äußert witzig, dass er ja ziemlich unzuverlässig sei – das geht ja gar nicht (oder so ähnlich). Ah, immerhin gibt es Selbsterkenntnis …
  7. Mittwoch, 16.46 Uhr: Auftragsbestätigung kommt
  8. Freitag, 11.30 Uhr: Ich rufe bei der Druckerei an um zu fragen, was mit meinem Auftrag ist. Erhalte die Antwort, dass die Mappen abholbereit sind. Schön – aber warum hat mich niemand informiert?
  9. Freitag, 11.50 Uhr: Ich hole die Mappen ab, sie haben keine Fehler. Auftrag erledigt. Aber was bleibt in der Erinnerung haften???

Dienstleistungsunternehmen leben von dem persönlichen Kontakt – hier müssen sie sich beweisen. Aber auch produzierende Unternehmen müssen sich hier unterscheiden – denn die Produkte sind zumeist austauschbar. Wenn wir von Kundenzufriedenheit sprechen, hat das heute nichts mehr mit der ordentlichen Verrichtung der eigentlichen Kern-Dienstleistung zu tun, sondern darüber hinaus vielmehr mit dem „wie“ der Leistungserstellung. Wie der Kunde behandelt wird, informiert wird, betreut wird – das macht den Unterschied. Und solange diese Kontaktpunkte dem Zufall überlassen werden (wie bei dem obigen Beispiel), regiert das Chaos. Deshalb müssen Dienstleistungsunternehmen jeden einzelnen Kontaktpunkt von sich aus gestalten – kundenorientiert und kundenfreundlich.

Ich verweise hier nochmal auf meinen Beitrag vom 19. April – und die dort angebotene Prozessanalyse!