Eigentlich dürfte es längst klar sein – ist es aber nicht: nach wie vor dreht sich das Marketing vieler Unternehmen um den Vertrieb bestehender Leistungen oder Produkte. Doch darum geht es gar nicht, es geht nicht um angebotsorientiertes Marketing. Nein, es geht um kundenorientiertes Marketing. Der Unterschied klingt banal, ist aber entscheidend.
Während beim angebotsorientierten Marketing das bestehende Dienstleistungsangebot im Fokus steht und geplant wird, wie das Angebot bestmöglich am Markt gepusht werden kann, beschäftigt sich das kundenorientierte Marketing (und das ist es, was Marketing eigentlich ist) mit Kunden, Märkten und deren Erwartungen. Im Fokus stehen also die Anforderungen des Marktes – und daraufhin entwickelt das Unternehmen die entsprechenden Leistungen. Es ist eine völlig andere Denkrichtung, weg vom Bestehenden und Bekannten und hin zu neuen Ufern mit all‘ seinen Unbekannten. Und dennoch liegt darin die Zukunft.
Sicher, wer an Altbekanntem festhält, muss sich nicht neu orientieren. Und oft sind es die bekannten Märkte und sicher geglaubten Kunden und Umsätze, die ein „weiter so“ zementieren. Aber selbst treue Kunden und bekannte Märkte entwickeln sich weiter und entfernen sich langsam aber sicher von denen, die nach wie vor die bewährten Leistungen von gestern offerieren. Nun wandelt sich – hierüber kann man nur froh sein – der Dienstleistungsmarkt ohnehin deutlich langsamer als der der Produkte. Wir kaufen heute noch Dienstleistungen wie Versicherungen, Arztleistungen, Beratungen, … die sich teils seit Jahrzehnten nicht geändert haben – wer aber würde heute noch einen Röhrenmonitor kaufen, der noch vor wenigen Jahren seinen Höhepunkt hatte? Dennoch: Kunden und Anforderungen entwickeln sich weiter, manche Anforderungen fallen gar gänzlich weg. Gut zu beobachten bei IT-Dienstleistern: sie klammern sich an bekannte Technologien und Verfahrensweisen, auch wenn der Zug der Zeit längst weitergefahren ist. Oder die Tourismusindustrie, insbesondere das Hotelgewerbe: der Investitionsstau ist unübersehbar – für niedrige Auslastungszahlen aber gibt es meist immer eine externe Begründung. Oder aber die Werbeagenturen: seit Jahren wird in ihren Branchenmagazinen davon geschrieben, dass die Ausrichtung auf die Kreativität für die Kunden nicht mehr ausreichend ist – und führt das zu Veränderungen innerhalb der Branche? Mitnichten, es ist Stillstand.
Nein, wer sich mit den Kunden und ihren Anforderungen auseinander setzt und aktuelle Anforderungen bedient, kann sich über regen Zuspruch freuen. Dazu muss aber etwas gegraben und geforscht werden – ein pauschales „wir kennen unsere Kunden“ hat sich bislang immer als zu kurz gedacht herausgestellt. Ich möchte an dieser Stelle zwei Positivbeispiele darstellen:
1) Der Touristikkonzern TUI hat in seinem Unternehmensportfolio nicht nur verschiedene Marken (Robinson, l’tur, Berge & Meer, 1-2-Fly, Discount Travel, OFT-Reisen, reiseleicht, Wolters Reisen …) angesiedelt, um diverse Zielgruppen marktgerecht bedienen zu können, sondern entwickelt für ganz klar umrissene Zielgruppen weitere Angebote. Die TUI nennt das Konzept eine „bedürfnisorientierte Segmentierung“. Wem RIU-Hotelanlagen schon zu überlaufen sind, kann ausweichen auf Sensimar oder andere Angebote. Nur werden diese Angebote eben nicht auf den Markt gepusht und dann Kunden dafür gesucht, sondern es läuft richtigerweise anders herum: zuerst werden Zielgruppen definiert (das kann, wie im Fall TUI über eigene Lebensstilkarten sein – oder beispielsweise über die bekannten Sinus-Milieus erfolgen) und dann dafür die entsprechenden Angebote entwickelt.
2) Ebenso mit dem Modell der Sinus-Milieus arbeitet die Firma GROHE, Hersteller von Armaturen für Bad, Küche, … Hier werden bei der Entwicklung von neuen Armaturen nicht zwangsweise geschackliche Vorlieben der Designer zugrunde gelegt, sondern die Lebensgewohnheiten der Menschen. „Sinus-Milieus eignen sich besser als vergleichbare andere Modelle für die Bildung von homogenen Endverwender-Gruppen, da sie nicht nur über formal demografische Kriterien gebildet werden, sondern auch Menschen mit ähnlichen grundlegenden Wertorientierungen zusammenfassen“, so Sven Schneider, Konzept-Designer und Projektleiter „Visions of Water 2020“. „Mit diesem Milieumodell lassen sich die heute im Alltag vorherrschenden Konsumansprüche sehr realitätsnah abbilden und entsprechenden ,Subkulturen’ zuordnen.“
Es muss nicht immer das Sinus-Milieu sein, gerade im B-to-B Bereich müssen wir auf andere Segmentierungen zurück greifen – die Grundüberlegung aber ist identisch: Wie nähert sich mein Unternehmen seinen Kunden an und welche Leistungen muss ich morgen bieten, damit ich weiter wachsen kann. Wie lautet die Definition von Marketing so schön?
Marketing ist die Ausrichtung eines Unternehmens auf die Bedürfnisse des Marktes.
Nicht der Markt muss sich den Angeboten der Unternehmen anpassen – passen Sie sich dem Markt an! Erforschen Sie Zielgruppen, erfragen Sie Anforderungen und Wünsche, setzen Sie sich mit Kunden zusammen (sog. Kundenfokus-Gruppen sind hier empfehlenswert) und entwickeln Sie daraufhin Ihre Zukunftspläne. Das ist Marketing – nicht das Pushen von Leistungen, die keiner möchte.