Tchibo, der Finanzdienstleister der Zukunft

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Neben Kaffee, Bademantel, Pfeffermühle und Lichterkette (daran haben wir uns schon gewöhnt) bietet die Hamburger Kaffeerösterei Tchibo immer mehr Dienstleistungen und sieht offensichtlich kein Problem, völlig branchenfremde Angebote mitten in seinem ohnehin stark erweiterten Sortiment unterzubringen. So bietet Tchibo bereits jetzt Reisen, Finanzen, Versicherungen, Mobilfunk und Blumen an – als Kooperationspartner für namhafte Unternehmen.

Im Angebot gelistet sind Giro- und Sparkonten der Postbank, Gratis-Konten der Hypo-Vereinsbank, Ratenkredite der Royal Bank of Scotland sowie diverse Anlagemöglichkeiten der comdirect bank AG.

Wer Dienstleistungen vermarktet, weiß dass es sich bei Leistungen wie Finanzdiensten um reine sog. Vertrauensgüter handelt. Ohne Vertrauen zwischen Interessent und Anbieter kommt es nicht zu einer gemeinsamen Basis und Geschäftsbeziehung. Oberste Aufgabe jedes Dienstleisters ist es also, die Grundlage für Vertrauen herzustellen.

Das erklärt, warum die Dienstleister verschiedenster Segmente Tchibo die Tür einrennen um ihr Angebot zu positionieren. Sie nutzen schlichtweg das hohe Vertrauen der Verbraucher in die Marke Tchibo, um ihr eigenes Angebot unters Volk zu bringen. Denn vor allem Finanzdienstleister haben ein erhebliches Marketingproblem – der potentielle Kunde ist äußerst kritisch und geht schon mit einer schlechten Grundstimmung in ein erstes Gespräch. Man erwartet ja schlichtweg, über den Tisch gezogen zu werden. Bei einer solchen Erwartungshaltung Vertrauen aufzubauen, scheint schier unmöglich. Da ist der Imagetransfer von Tchibo zum Finanzdienstleister eine hervorragende Möglichkeit – zudem bietet der Vertriebsweg die Möglichkeit, zeitgleich eine hohe Anzahl von Menschen zu erreichen die sich über die direkte Ansprache (z.B. Directmail) nur wenig offen zeigen würden.

Was hat Tchibo davon? Gut, natürlich Provisionen – insbesondere im Massengeschäft durchaus lohnend. Aber nur das darf in einem strategisch ausgerichteten Unternehmen hoffentlich nicht die alleinige Entscheidung beeinflussen. Wie sieht es also mit dem Image aus – der langfristigen Rendite? Meine persönliche Meinung: Das Image – und dadurch das Kundenvertrauen in den Anbieter – sinkt. Denn Tchibo ist weniger als je zuvor Synonym für Kaffee, sondern umso mehr für einen Bauchladen, der kein klares Profil mehr zeigen kann. Oder würden Sie bei einer Kaffee-Verkäuferin eine Staatlich geförderte Zulagen-Rente abschließen? Auch Tchibo selbst tut sich schwer mit seiner Position – denn wer sich im Web die Angebote einmal genauer ansieht, hat doch deutlich das Gefühl dass sich die Tchibo-Website lediglich als Werbeplattform für die einzelnen Dienstleistungen hergibt. So wird der Interessent deutlich darauf hingewiesen, dass Tchibo nicht der Vertragspartner ist, sondern der eigentliche Anbieter, z.B. eben die Royal Bank of Scotland. Natürlich völlig korrekt, aber was hat es dann mit Tchibo zu tun? Nichts, Tchibo ist also unter anderem Werbeplattform geworden.